Historie

Diese Seite widmet sich der Ideengeschichte der Forensischen Psychiatrie, insbesondere bedeutenden Fachvertretern.

Der forensische Psychiater
Prof. Dr. Hanns Schwarz (1889 – 1977)

Von Stefan Orlob

1. Einleitung
Der Name von Hanns Schwarz ist fast 20 Jahre mit der Geschichte der Universitäts-Nervenklinik Greifswald nach 1945 eng verbunden. Auch wenn die historische Distanz noch sehr gering ist, so darf er doch schon heute als einer der namhaftesten Fachvertreter der Neuropsychiatrie in der mit Rudolf Arndt 1873 begründeten langen Greifswalder Tradition gelten. Hanns Schwarz kommt dabei insbesondere eine große Bedeutung beim Neubeginn nach den dunklen Jahren des Nationalsozialismus zu. Seine wissenschaftliche Laufbahn, er war Schüler Bonhoeffers, war nach 1933 aufgrund seiner jüdischen Ehefrau jäh unterbrochen worden. Erst nach 1945 wurde seine Rückkehr an eine Hochschule möglich und er erhielt die unerwartete Berufung als Nachfolger Rudolf Thiele‘s zum Ordinarius für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Greifswald.

Der Aufsatz nimmt den 100. Geburtstag von Hanns Schwarz zum Anlass für den Versuch einer vorsichtigen Annäherung an die verschiedenen Facetten seiner Person, insbesondere seines forensisch-psychiatrischen Schaffens.

2. Biographische Daten
Hanns Schwarz wurde am 25. Juni 1898 als Karl Max Johannes Patzker unehelich in Berlin geboren. Er kam aus einfachen Verhältnissen und da seine gerade 20jährige Mutter als Schneiderin nur schwer für den Lebensunterhalt sorgen konnte, wuchs er bei deren Schwester in Berlin auf. Diese war mit dem jüdischen Schriftsteller Dr. Max Schwarz verheiratet, welcher einen maßgebenden Einfluss auf die weltoffene Erziehung des Knaben nahm ("Man mag viele Schulen kennen gelernt haben, die wahre Oberschule ist doch immer das Zuhause"). Am 08. September 1913 wurde er von Familie Schwarz an Kindes Statt angenommen und führte von nun an den Namen Karl Max Johannes Schwarz.

Die Kindheit Hanns Schwarz's war von häufigen Krankheiten überschattet. Sein behandelnder Kinderarzt ist der spätere namhafte Sozialhygieniker Alfred Grotjahn. Bereits im Alter von eineinhalb Jahren muste er sich an der Charité infolge einer Osteomyelitis einer Operation am rechten Kieferwinkel unterziehen. Dies hatte eine bleibende Entstellung des Gesichtes zur Folge, unter der er besonders als Kind aufgrund ständiger Hänseleien sehr glitten hat. In Berlin aufwachsend, besuchte er dort das traditionsreiche humanistische Friedrichs-Werdersche-Gymnasium und legte 1917 das Abitur ab. Zu seinen Mitschülern zählte der später in die USA emigrierte Psychiater Otto Kant und einer der drei Söhne Bonhoeffers, welcher in den ersten Tagen des I: Weltkrieges fiel. Hanns Schwarz wurde aufgrund seiner gesundheitlichen Mängel nur für den Arbeitsdienst in der Heimat verwendungsfähig gemustert. So musste er im letzten Kriegsjahr einen ¾ jährigen Hilfsdienst bei der Dresdner Bank Berlin ableisten.

3. Studium
Hanns Schwarz studierte von 1918 bis 1923 Medizin in Berlin, Freiburg i. B. und München. Über seine Studienwahl schrieb er selbst: ”Vielleicht, wenn ich es recht bedenke, weil ich den Arzt und seine Tätigkeit viel mehr vom humanistischen Ideal her empfand und auffasste, als von der Windseite des Experimentes. ... Sicher ist, dass ich vom Startschuss an beschlossen hatte, als Psychiater durch das Ziel zu gehen in der vieldeutigen Meinung und bestimmten Hoffnung, dass in diesem diffizilen Sonderfach der eine Mensch dem anderen am nächsten käme”. Die ersten zwei Semester absolviert er in Berlin, dann folgt der Wechsel nach Freiburg im Breisgau. Dort bereitet er sich erfolgreich auf das Vorexamen vor. Als Vorkliniker besucht er ein erstes Psychiatrie-Kolleg bei Alfred Hoche und ahnt noch nicht, dass er dessen rassenhygienischen Lehren noch häufig begegnen wird. In den höheren Semestern hört er nach seinem Wechsel nach München Psychiatrievorlesungen bei Emil Kraepelin. Er ist von dessen klinischen Demonstrationen stark beeindruckt. ”Ein kleiner beweglicher Mann, geborener Mecklenburger, eilte mit der Pünktlichkeit einer Normaluhr in den Hörsaal und hatte die Fähigkeit, in einer unübertrefflichen Plastizität, in präziser Sachlichkeit ohne jeden Anflug von Lächerlichkeit, schwierige Krankheitsbilder zu demonstrieren.” Im Frühjahr 1923 legt Hanns Schwarz in München erfolgreich sein Staatsexamen ab.

Nach dem Studium ging er nicht ohne Wehmut zurück nach Berlin, noch ahnte er nicht, dass dies nicht sein letzter Aufenthalt in München gewesen seien sollte. Er begann zunächst 1923/24 sein Medizinalpraktikum an der II. Medizinischen Universitätsklinik der Charité und wechselte nach einem halben Jahr im Januar 1924 an die Charité-Nervenklinik.

4. Die Jahre an der Charité zu Berlin
Nach seiner offiziellen Approbation am 30.06.1924 trat er dann zunächst als Assistent in die Nervenklinik der Charité ein. Dabei teilte er sich anfangs eine Stelle mit Johannes Suckow der nach 1947 Ordinarius in Leipzig und ab 1955 Direktor der Nervenklinik an der neu gegründeten Dresdner Akademie wurde. Der damalige Direktor war Karl Bonhoeffer, als dessen Schüler sich Hanns Schwarz auch später sah und den er stets hoch verehrte. Er war ihm klinischer Lehrer, wissenschaftliches Vorbild und persönlicher Berater. Neun Jahre gehörte Hanns Schwarz zum Kollegium Bonhoeffers und erreichte dabei die Stelle eines abteilungsleitenden Oberarztes. Das Thema seiner 1925 vorgelegten Promotionsschrift lautete: ”Ein Versuch psychischer Beeinflussung katatoner Zustände”. Diese Ergebnisse publizierte er 1925 unter dem Titel "Studie über den ungewöhnlichen Verlauf einer Katatonie". Grundlage der Untersuchung waren die Beobachtungen, dass durch psychotherapeutische Einflussnahme eine Reduzierung der hyperkinetischen bzw. stuporösen Anfälle erreicht werden konnte. Bis 1932 blieb Hanns Schwarz in seiner Position an der Charité. In dieser Zeit hatte bereits ein besonderes Interesse an forensischen Fragestellungen entwickelt und eine Vielzahl von Gerichtsgutachten angefertigt. So schrieb Bonhoeffer den auch in seiner Beurteilung:” ... Durch seine große Erfahrung in der Gutachterpraxis (forensische und versicherungsrechtlich) und wiederholt mündliche Gutachtererstattung ist er zweifellos in besonderem Maße befähigt, sich als gerichtlicher Sachverständiger seines Fachgebietes zu betätigen.”.

5. Die NS-Zeit
Im Jahre 1928 hatte Hanns Schwarz seine erste Ehefrau Eva Maybaum, die Tochter eines bekannten Rabbiners geheiratet. Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ahnte Hanns Schwarz die ungewisse Zukunft und trat nach Anraten Bonhoeffers, welcher selbst einen jüdischen Schwiegersohn hatte, aus dem klinischen Dienst aus. Nach seinem Abschied aus der Charité im Dezember 1932 ließ Hanns Schwarz sich als Facharzt für Nerven- und Gemütsleiden in Berlin-Wilmersdorf nieder. Diese Tätigkeit befriedigte ihn nur wenig. So nutzte er die ihm gebotene Gelegenheit und wurde ab 1933 in der jüdischen privaten Heil- und Pflegeanstalt ”Berolinum” in Berlin-Lankwitz tätig. Nach dem Tode seines Vorgängers, Sanitätsrat Fraenkel, hatte er dann von 1935 an die Position des Leitenden Arztes dieses Sanatoriums inne.

Seit 1936 hatte Hanns Schwarz die Rassenideologie der Nationalsozialisten in ihrer ganzen Willkür am eigenen Leib zu ertragen. Im Jahre 1938 musste er seine Leitungsfunktion im ”Berolinum” aufgeben, weil das Sanatorium entsprechend der Nürnberger Rassengesetze nur noch Juden behandeln durfte und eine Zusammenarbeit von nichtjüdischen und jüdischen Ärzten nach der Reichsärzteordnung nicht mehr gestattet war. Da seine seine Vaterschaft nicht geklärt war, strebten die Ärztekammer Berlin und die Kassenärztliche Vereinigung gleichzeitig ab 1936 ein ”Rassenverfahren” gegen ihn selbst an. In den darauf folgenden Jahren trug man ihm auch an, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, denn dann würde der Abstammungsbescheid positiv ausfallen. 1938 unternahm Hanns Schwarz eine Reise in die USA, um die Möglichkeiten für eine Emigration zu erkunden. Eher enttäuscht kehrte er jedoch nach Deutschland zurück und verwarf die Pläne. ”Als Psychiater kann man nur in seiner Muttersprache wirksam sein, obwohl ich weiß, dass andere anders darüber denken.”.

Im Jahre 1942 wurde Hanns Schwarz im Ergebnis der Untersuchung und des Gutachtens der Reichsstelle für Sippenforschung zum ”Juden” erklärt. Der Gutachter war Dr. Kurt Mayer. Diese Feststellung hatte den Ausschluß aus der Ärztekammer, den Verlust der Approbation und dementsprechend das sofortige Praxisverbot als niedergelassener Arzt zur Folge. Hanns Schwarz legte mit Erfolg Widerspruch ein und 1943 erhielt er einen neuen Bescheid, der nun feststellte, dass er ”von deutschem oder artverwandtem Blute sei”. Vom Oberbürgermeister Berlins wurde er noch im gleichen Monat zum längerfristigen Notdienst verpflichtet und dem Bayerischen Staatsministerium zugewiesen. Nach einem kurzen Aufschub meldete er sich in München und fragte bei Prof. Oswald Bumke in der Nußbaumstraße um Verwendung an. Dieser teilte ihm jedoch nach interner Kenntnis des Falles mit, "dass die wissenschaftlichen Auffasungen von ihm und Bonhoeffer soweit auseinandergingen", dass er für keine Verwendung hätte. Nun bekam er eine ärztliche Tätigkeit an der kinderpsychiatrischen Heckscher Nervenheil- und Forschungsanstalt in München-Schwabing zugewiesen, die er bis 1945 ausführte. Dort tat sich für ihn bei der Arbeit mit minderbegabten und verhaltensgestörten Jugendlichen ein völlig neues Tätigkeitsfeld auf, welches er aber dankbar annahm. Seine Familie verbrachte er für die letzten Kriegsjahre nach Storkow in der Mark, und auf oft abenteuerliche Weise pendelte er zwischen München, Storkow und Berlin.

6. Greifswalder Jahre
Nach Kriegsende nahm der Lebensweg von Hanns Schwarz erneut eine unvorhergesehene Wendung. Er hatte zunächst seine alte Tätigkeit in der nervenärztlichen Niederlassung in Berlin-Wilmersdorf aufgenommen. 1946 bot man ihm dann auf Empfehlung seines alten Lehrers Bonhoeffer eine außerordentliche Professor auf dem Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie in Greifswald an. Damit wurde er ohne Habilitation Nachfolger von Rudolf Thiele an der Greifswalder Universität. Noch im gleichen Jahr folgte seine Berufung zum Direktor der Nervenklinik und im März 1947 zum ordentlichen Professor. Bonhoeffer schrieb ihm daraufhin am 23.07.1948 ”... Meine besten Wünsche für ihr neues Tätigkeitsfeld. So ist Ihr Wunsch, ohne Habilitation in eine akademische Stellung zu gelangen, schneller und besser in Erfüllung gegangen, als wir zunächst gedacht hatten. Sie sind nun der vierte Charité-Dezendent auf dem Greifswalder Lehrstuhl. Möchten Sie Befriedigung finden und Zeit zu sonstiger wissenschaftlichen Arbeit. Mit guten Wünschen auch für Ihre Gattin in dem kleinen ländlichen Nest, für das ich viel übrig habe. Meine Kinder waren gerne dort. Mit freundlichen Grüßen, Ihr B:”

Einen schweren persönlichen Schicksalsschlag erlitt Hanns Schwarz, als seine erste Ehefrau, die in Deutschland die nationalsozialistische Herrschaft mit Mühe überlebt hatte, im September 1948 innerhalb einer Woche an Kinderlähmung verstarb. Ende 1949 ging er dann eine zweite Ehe ein.

Hanns Schwarz hatte das Direktorenamt der Nervenklinik bis zu seiner Emeritierung 1965 inne. Er erweiterte die Nervenklinik um einen modernen Kinderpavillon sowie eine Fach-Poliklinik und nahm weitere strukturelle Veränderungen vor. So schaffte er die damals noch üblichen Saalvisiten mit dem Gang von Bett zu Bett ab und ersetzte sie durch die ”Unter¬Vier-Augen-Visite” im Untersuchungszimmer, wo er eine Exploration in Gegenwart der Assistentenschaft durchführte. Von 1950 bis 1954 war er Dekan der Medizinischen Fakultät. Ein besonderen Beitrag leistete er auch beim Wiederaufbau des wissenschaftlichen Lebens in seinem Fachgebiet nach der Zerschlagung der Hitlerdiktatur. So ist beispielsweise die Gründung der heutigen "Gesellschaft für Nervenheilkunde des Landes Mecklenburg-Vorpommerns" im Jahre 1946 sein Verdienst. Seinem in der Zeit an der Heckscher Anstalt in München begründeten Interesse an der Kinderpsychiatrie folgend, rief er gleichfalls eine ”Deutsche Gemeinschaft zum Schutze der Kinder” ins Leben und wurde 1951 deren erster Präsident. Weiterhin begründete er die von ihm herausgegebene Schriftenreihen - "Sammlung zwangloser Abhandlung aus dem Gebiet der Psychiatrie und Neurologie" und war Mitherausgeber der von Alexander Mette 1949 gegründeten Zeitschrift "Psychiatrie, Neurologie und Medizinische Psychologie” der DDR.

Einen besonderen Stellenwert nahmen aber weiterhin seine forensisch¬psychiatrischen Arbeiten ein, so begründete er 1950 auch die Schriftenreihe "Medizinisch-juristische Grenzfragen" und gab in den folgenden Jahren mehrere Bände heraus. Hervorzuheben ist hier auch, dass sich Hanns Schwarz als einer der wenigen Vertreter seines Faches bereits in den ersten Jahren nach 1945 mit ärztlichen Verbrechen im Nationalsozialismus auseinander setzte und dieses konsequent in seine eigene Gutachtertätigkeit einfließen ließ. Die betreffenden Gutachten wurden als erster Band der "Medizin juristischen Grenzfragen" durch ihn selbst publiziert. Später setzte er sich dann auch mit dem sogenannten KZ-Syndrom auseinander. Zu diesem Thema vergab er auch eine Promotion. Auch in seiner Tätigkeit als Hochschullehrer integrierte er forensische Fragestellungen zunächst in die Abendvorlesung ”Psychiatrische Begutachtung”, später dann ”Forensische Psychiatrie”. Er strebte dabei eine zunehmende Verständigung zwischen Jurisprudenz und Psychiatrie an. Das forensische Kolleg war stets überfüllt. Hanns Schwarz bemühte sich ”das Leben in seinen Verfehlungen, Verirrungen und krankheitsbedingten Entgleisungen dem jungen Menschen vor Augen zuführen”. In der Vorlesung wurde ein zu begutachtender Klient praktisch demonstriert und befragt. Im Vordergrund stand dabei stets eine ganzheitliche Betrachtung.

Forensisch-psychiatrische Fragestellungen begleiteten Hanns Schwarz wissenschaftliche Tätigkeit über sein gesamtes Leben. So setzte er sich auch für eine psychiatrische Beurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen bei "Psychogenen Depressionen" und deren Straffreiheit ein. Ein Höhepunkt in der forensisch-psychiatrischen Tätigkeit war die Organisation des ersten Symposiums der Sektion "Forensische Psychiatrie" innerhalb der "Psychiatrisch-Neurologischen Gesellschaft der DDR" am 27. und 28.02.1969 im Hörsaal der Charité-Nervenklinik Berlin. Er war auch beratend bei der Neufassung des §51 (altes) StGB in Form der §§ 15 und 16 StGB tätig, die innerhalb des neuen Strafgesetzbuches der DDR am 1. Juli 1968 in Kraft traten.

Wiederholt publizierte er aber auch zu versicherungsrechtlichen Fragestellungen. Die spätere wissenschaftliche Tätigkeit galt vor allem der Gerontopsychiatrie in Verknüpfung mit forensischen Fragestellungen. Hier setzte er sich für eine besondere Beurteilung älterer Straftäter, ähnlich der jugendlicher Straftäter ein. Die Forensische Psychiatrie war für ihn stets ”die Krone der angewandten Psychiatrie”. ”Der Psychiater muss die Maske erkennen, um die Gesichter besser sehen zu können.”

Das Spektrum seiner übrigen wissenschaftlichen Veröffentlichung ist weitgestreut. Er beschäftigte sich bereits in den 20er Jahren sehr intensiv mit den Problemen der Rauschgiftsuchten sowie der Forensischen Begutachtung und setzte diese Forschungen dann auch in Greifswald fort.1953 erschien dann seine Schrift ”Über Rauschgiftsuchten”, in der er den Stand der damaligen Klinik und Psychopathologie aus seiner Sicht umfassend darstellte.

Im Sinne Bonhoeffers trat er für die Einheit von Neurologie und Psychiatrie ein und publizierte auch eine Reihe rein neurologischer Arbeiten. Ebenfalls stand er aber auch psychotherapeutischen Fragestellungen, insbesondere der Psychoanalyse offen gegenüber. Mehrere Jahre war er Vizepräsident der Gesellschaft für klinische Medizin der DDR.

Eine seiner medizinhistorisch bedeutendsten Publikation stammt jedoch schon aus dem Jahre 1929 und ist unter dem Titel ”Cirkumskripte Hypochondrien” erschienen. Hierbei handelt es sich um die deutschsprachige Erstbeschreibung des später von Eckbom als ”präsenilen Dermatozoenwahn” benannten Krankheitsbildes.

Darüber hinaus finden sich in seinem Schrifttum eine Reihe populärwissenschaftlicher Arbeiten, insbesondere zu sexualmedizinischen Fragen. Hier ist auch sein Engagement in der "Medizinisch¬wissenschaftlichen Gesellschaft der DDR zum Studium der aktuellen Lebensbedingungen" einzuordnen.

Hanns Schwarz stand nicht außerhalb des gesellschaftlichen Lebens der DDR. Er engagierte sich im Präsidium des Deutschen Friedensrates, der Liga für die Vereinten Nationen und insbesondere im Kulturbund. Der Kampf für Frieden und Verständigung lagen ihm aufgrund seines eigenen Schicksals sehr am Herzen. So war er auch Mitbegründer des ”Friedenskreises der Ärzte” der DDR. 1958 nahm er am Kongress für Abrüstung und internationale Zusammenarbeit in Stockholm teil. Mitglied einer politischen Partei war er nie. Inwiefern ihm bei mehreren Reisen in die UdSSR die dortigen Verhältnisse in der Psychiatrie bekannt wurden ist nicht gesichert. Nach der Überlieferung soll er 1955, als die Militärmedizinische Sektion in Greifswald etabliert wurde und die Polizei massenhaft protestierende Studenten festnahm, zwei der meistgesuchten Studenten mit einer kleinen List dazu verholfen haben, die Polizeisperrung zu überwinden. Ihm wird auch der Ausspruch: "Früher hatten wir Kant, heute haben wir signifikant." zugerechnet.

Viel gerühmt sind seine Tätigkeit als Hochschullehrer sowie seine rhetorische Begabung, und so konnte er sich bei seinen forensisch¬psychiatrischen Fallvorstellungen stets überfüllter Hörsäle sicher sein. Die Lehre war ihm stets nicht nur Pflicht, sondern auch Freude und Bedürfnis.

Am 07.09.1965 wurde Hanns Schwarz emeritiert. Nachfolger im Amt wurde mit Karl-Heinz Elsaesser einer seiner Schüler. Damit trat Hanns Schwarz nach 19 Greifswalder Jahren in den Ruhestand, blieb aber in vielen Fachgesellschaften, so der ”Gesellschaft für Alternsforschung” und wissenschaftlich-publizistisch fast bis zu seinem Tode am 27.01.1977 weiter aktiv.

Sein 1976 erschienener Lebensrückblick mit dem Titel ”Jedes Leben ist ein Roman” endet mit den Worten:

"Man stirbt wohl mit dem letzten Atemzug, tot ist man erst, wenn man vergessen ist." In diesem Sinne wird er weiter unter uns bleiben und den Weg in das neue Jahrtausend mitbegleiten.

Literaturverzeichnis

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